Reinhard Mawick

Stabile Ergebnisse

Ein Kommentar von Reinhard Mawick

Wie toll wäre es, wenn alle evangelischen Kirchengemeinden so wären wie die evangelische Kirchengemeinde in Hochdahl!

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, natürlich ist es gut, dass die etwa 15.000 evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland in der Regel sehr unterschiedlich sind, aber wenn alle evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland alle zehn Jahre (und dann noch möglichst jeweils immer im selben Jahr) so eine Umfrage durchführen würden, wie es Ihre Gemeinde im vergangenen Jahr bereits zum dritten Mal gemacht hat, dann hätten die Landeskirchen und die EKD auf einer sehr breiten Basis eine Menge wichtiger Daten, interessanter Informationen und sogar neue Forschungsfelder erschlossen. Dann könnte man zum Beispiel ein Ranking anstellen, wie gut es einzelnen Gemeinden gelingt, Ihre Gemeindeglieder zu motivieren, an einer nicht ganz unaufwendigen Sache wie dieser Umfrage teilzunehmen – bisher geht so etwas ja immer nur, wenn Presbyteriumswahlen sind: »Wie hoch war Eure Wahlbeteiligung?« – Ach so, also bei uns hatten wir schonn mehr …«. Spaß beiseite: Es ist wirklich toll, dass Sie in Hochdahl so beharrlich an diesem Projekt dranbleiben und zum dritten Mal diese Umfrage durchgeführt haben. Kompliment! Drei Dinge möchte ich ansprechen:

Menschen zur Teilnahme bewegt
Zum einen ist es gelungen, 700 Menschen zur Teilnahme zu bewegen, 12,5 Prozent der Gemeindeglieder. Ist das gut? Geht so, denn das sind in absoluten Zahlen 40 Prozent weniger als vor zwanzig Jahren, als noch 1147 Menschen teilnahmen. In Prozent ausgedrückt klingt es nicht ganz so grausam: Die 12,5 Prozent Umfragebeteiligung stehen 15 Prozent von 1997 gegenüber. Und wer jetzt Rechenprobleme bekommt, dem sei gesagt, dass 1997 natürlich noch viel mehr Menschen zur Kirchengemeinde gehörte, nämlich 7760. Zwanzig Jahre später sind es nur noch 6113 – ein ganz schöner Aderlass! Aber das soll nicht entmutigen, denn so ist das mit der demografischen Entwicklung. Sie verläuft seit Jahrzehnten so, dass wir deutlich mehr evangelische Menschen beerdigen als taufen. Ja, das von besonders von Seiten der EKD eine Weile lang vielbeschworene »Wachsen gegen den Trend« hat auch in Hochdahl nicht stattgefunden, weder bei der Zahl der Teilnehmenden an der Gemeindebefragung und schon gar nicht bei der Entwicklung der Gemeindegliederzahlen. Wir müssen uns auf ein qualitatives Wachsen konzentrieren, nicht auf ein quantitatives – die detaillierten Fragen zu einzelnen Aspekten und Dienstleistungen Ihrer Gemeinde sind dafür der richtige Weg. Aber das darf uns nicht entmutigen, denn wir sollten, nein wir dürfen unser Heil in der Kirche nicht in absoluten Zahlen suchen, denn da spricht einfach zu vieles gegen uns, besonders die demografische Entwicklung.

Kirchenaustritte
Da bin ich beim zweiten Punkt, den Austrittszahlen. Sie sind in Hochdahl leider auch höher als vor zehn Jahren bzw. zwanzig Jahren. Allerdings waren Sie schon einmal viel höher, nämlich Anfang der Neunzigerjahre, als viele Menschen aus der Kirche austraten, als der Solidaritätszuschlag eingeführt wurde: 7,5 Prozent auf die Lohnsteuer, eine ähnliche Größenordnung wie die Kirchensteuer, deren Hebesatz 9 Prozent beträgt. Es sind eben meist äußere Faktoren, die nichts mit der inhaltlichen Arbeit der Kirche zu tun haben, die zu einem merklichen Anstieg der Kirchenaustritte führen. Wir hatten so etwas zuletzt in dem Jahr 2014.
Da stiegen die Austritte sehr an, weil viele Kirchenmitglieder verunsichert waren, denn sie waren mit teilweise sehr kühlen und kryptischen Briefen der Geldinstitute darüber informiert wurden, dass ab einer gewissen Höhe von Kapitalerträgen automatisch Kirchensteuer darauf abgeführt wird. Viele missverstanden dies dahingehend, es werde ein nun ein zusätzlicher Beitrag erhoben – was gar nicht so war, es ging nur darum, dass dieser Einzug automatisiert werden sollte und deshalb wurde schlicht gefragt, ob man Mitglied der Kirche sei. Komplizierte Materie, die hier nicht vertieft werden kann! Diese »Delle« durch die automatische Abführung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge lässt sich auch im Mikrozensus Ihrer Kirchengemeinde feststellen: 66 Austritte im Jahr 2014 sind der Spitzenwert der vergangenen Dekade!

Austritte seit 1980
Austritte seit 1980

Qualitative Ergebnisse
So bin ich schon beim dritten und letzten Punkt angelangt, der ist kurz. Die qualitativen Ergebnisse Ihrer Umfrage haben sich kaum verändert haben, es gibt nur minimale Schwankungen. Ich greife willkürlich ein Beispiel heraus: Die Aussage »Von mir aus bräuchte es die Kirchen nicht mehr zu geben«, wird von allen 700 Teilnehmenden sehr negativ beurteilt, sprich zurückgewiesen. 2007 ergab sich ein Durchschnitt von 4,52, in der jüngsten Umfrage sogar 4,55 – also, die Vehemenz der Zurückweisung hat zugenommen. Allerdings wäre es wohl unredlich, dies inhaltlich in der Form überzubewerten, dass nun eine Erweckungsbewegung in Hochdahl bevorstünde – im Prinzip denken Ihre Gemeindeglieder in Hochdahl im Ergebnis ähnlich wie 2007 – es gibt Schlimmeres.

Fazit
Und so bin ich am Ende wieder da angelangt, wo ich schon vor zehn Jahren an dieser Stelle zum Ende kam, als ich freundlicherweise das erste Mal die Möglichkeit erhielt, die Gemeindebefragung in Hochdahl zu kommentieren. Es gilt auch im Jahr 1 nach dem Reformationsjubiläum, was schon vorher, ja schon immer galt und wie Martin Luther es wunderbar formuliert hat: »Wir sind es doch nicht, die die Kirche erhalten, unsere Väter waren es nicht und unsere Kinder werden es nicht sein. Sondern der allein ist es, der die Kirche erhält, unser Herr Jesus Christus, der gesprochen hat: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.«

Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer des evangelischen Magazins Zeitzeichen.

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