Fenster zählen

„Stell dich bei Dämmerung vor ein großes Wohnhaus und warte, bis elf Fenster erleuchtet sind.

“Das schlägt mein Adventskalender vor. Jeden Tag gibt er mir eine Aufgabe, eine seltsamer als die andere, aber alle drehen sich ums Warten. Im normalen Leben bin ich eine schlechte Warterin. Ungeduldig. Schnell genervt. Aber das hier, das spricht mich an. Weil es so absurd klingt. Ich versuche es. Stelle mich an eine mittelstark befahrene Straße. Es ist dunkel, es ist kalt, es nieselt. Ich lasse die Autos an mir vorbeirauschen. Richte meinen Blick auf die Fenster eines vierstöckigen Jugendstilhauses und warte.

Meine Einkaufsliste kommt mir in den Sinn. Den Regen rieche ich.

Nichts geschieht. Was tue ich hier?

Trotzdem bleibe ich . Halte die Leere aus. Gedanken finden mich: Warum ist es so störend, wenn mien Tagesablauf durchkreuzt wird? Wenn ich nichts Sinnvolles tun kann? Wenn ein Lich sich auftut, ein leerer Moment? Vielleicht würde sich ja die Sehnsucht Raum nehmen. Mich ausbremsen. Eine Lücke finden, klein genug für ein paar Himmelsträume. Und die Vernunft wischte sie nicht weg. Und plötzlich, während ich da in der Kälte stehe und noch lange keine elf Lichter brennen, weiß ich, dass ich auf ganz Anderes, Größeres warte.

Text: Text:Susanne Niemeyer, gefunden im Kalender „Der andere Advent“ 2008/09 Verein Andere Zeiten e.V. Hamburg www.anderezeiten.de
gelesen von Ute Dick

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