Der Geist weht, wo er will

Grafik: Pfeffer
Grafik: Pfeffer

Wild und laut geht es zu, wenn die Heilige Schrift vom Gottesgeist erzählt: Als stürmisch wehender Wind, als loderndes Feuer, fließendes Wasser, schnell dahinziehendes Wolkengebilde erscheint er in der Bibel. Bewegung. Energie. Schöpfungskraft. Das genaue Gegenbild zu Trägheit und Tod. Gottes Geist setzt Menschen in Bewegung, er inspiriert und treibt an, er bringt sie in Beziehung zu Gott und entfacht ihre Liebe und Solidarität untereinander.

„Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm“, heißt es im Pfingstevangelium. Dass jeder die Apostel in seiner eigenen Sprache reden hört, ist den Menschen gar nicht geheuer: „Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos.“ Wir verstehen unter Geist gern etwas Vornehmes, Leises: Intellekt, Verstand, die Fähigkeit, brillant zu denken und geschliffen zu formulieren. Ganz anders die Zeugen des ersten Pfingstereignisses damals in Jerusalem. Sie waren verstört, verunsichert, ja von Angst erfüllt.

Gottes Geist ist eine Gabe, die verwirrt, verändert, Leben und Hoffnung weckt. In der Schöpfungsgeschichte schwebt er über den Wassern. Der Prophet Ezechiel erzählt von einem Feld voller Totengebeine, er meint die nach Babylon verbannten Juden. Aber kaum fährt Gottes Geist in die morschen Knochen, werden sie lebendig, stellen sich voller Tatendrang auf die Füße. Jesus wird im Synagogengottesdienst in seiner Heimatstadt Nazareth behaupten: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ – und auf viel Skepsis stoßen.

Der Heilige Geist transportiert etwas von Gott zum Menschen: Leidenschaft, Sehnsucht, spirituelle Energie, Glaubenskraft. Im Geist ist Gott unter den Menschen gegenwärtig. Im Geist erfindet Gott sich neu, macht Gott sich klein, um bei den Menschen sein zu können.

Aber dieser Geist „weht, wo er will“, niemand kann ihn pachten, er hält sich nicht an Grenzen und heilige Hierarchien, die ihn zähmen wollen. In der Geschichte des Christentums drohte der mächtig brausende Atem Gottes bald zu einem sterbensmatten Hauch zu verkümmern, aus der kräftig flatternden Himmelstaube sollte ein fügsames Haustier werden. Zum Glück gab es Gegenbewegungen, und es gibt sie bis heute.

Zum Glück schwirrt er immer noch frei herum, der Gottesgeist. Er taucht dort auf, wo man ihn nicht vermutet. Er sorgt für Überraschungen, bringt die gewohnten Abläufe durcheinander.
Christian Feldmann

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