Gefühle nach dem Kalender

„Gefühle nach dem Kalender“ gelesen von Silke Gottesleben

„Gefühle nach dem Kalender“

Eigentlich ist es ja ein bisschen merkwürdig: Wenn nur noch wenige dünne Kalenderblätter den Abreißer vom 24. Dezember trennen, so senkt sich jenes weihnacht-liche Gefühl auf ihn hernieder, das ihr alle kennt.  Er wird ein bisschen weich, er wird ein wenig träumerisch, und wenn der ganze Apparat des Einkaufs vorbeigeklappert ist, wenn all das Tosen und Wirken vorüber ist, dann saugt er doch an deiner Weihnachtszigarre und denkt sich dies und das und allerlei.

Aber wie denn?  Kann man denn seine Gefühle kommandieren?  Kann man denn – nach dem Kalender – seine Empfindungen regeln?
Der Grund, dass wir wirklich – jeden Weihnachten – in jedem Jahr – immer aufs Neue imstande sind, genau um den 25. Dezember herum die gleichen starken Gefühle zu hegen, liegt doch wohl darin, dass sie sich angesammelt haben. Es muss doch irgendetwas da sein, das tropfenweise anschwillt, das ganze Jahr hindurch.

Ich habe immer das Gefühl, als ob wir jede Woche im Jahr weihnachtliche Empfindungen genug aufbrächten – aber gute Kaufleute, die wir sind, legen wir sie „in kleinen Posten“ zurück, bis es sich einmal lohnt. Im Dezember ist das Maß dann meist voll. Nach dem Kalender fühlen … ?

Nun? Ihr tragt alle den Kalender in euch.
Es ist ja nicht das Datum oder die bewusste Empfindung, heute müsse man nun …
Es ist, wenn ihr überhaupt wisst, was ein Festtag ist, was Weihnachten ist: euer Herz. Lasst uns einmal von dem Festtags-„Rummel“ absehen, der in einer großen Stadt unvermeidlich ist.

Lasst uns einmal daran denken, wie Weihnachten gefeiert werden kann, unter wenigen Menschen, die sich verstehen. Das ist kein Ansichtskarten-Weihnachten. Das ist nicht das Weihnachten des vierundzwanzigsten Dezembers allein – es ist das Weihnachten der Seele.
Gibt es das-? Es soll es geben. Und gibt es auch, wenn ihr nur wollt. Grüßt ihr Herren, die Damen, küsst ihnen leise die Hand (bitte in meinem Auftrag) und sagt ihnen, man könne sogar seine Gefühle nach dem Kalender regeln: zum Geburtstag, zum Gedenktag – und zu Weihnachten.

Aber man muss welche haben.

Leicht gekürzt (Kürzung mit (…) kenntlich gemacht) aus Kalender „Der Andere Advent“ 2013/14, Verein Andere Zeiten e.V. Hamburg, www.anderezeiten.de; Beitrag zum 23.12.

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