Predigt anlässlich der Goldkonfirmation am 4. November 2018

Pfarrer Lutz Martini
Pfarrer Lutz Martini

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Festgemeinde!

Festtage und Jubiläen sind wertvolle Augenblicke. Sie geben einem die Gelegenheit, einmal mehr zurückzuschauen auf das eigene Leben voller Dankbarkeit und Freude, und sich gleichzeitig seine Gedanken zu machen über die Zukunft, das weitere Leben. Und natürlich gehört es auch dazu sich oft nach langer Zeit einmal wiederzutreffen, sich zusammenzusetzen und zu feiern.

Ihre Konfirmation vor 50 und vor 60 oder mehr Jahren ist der Anlaß für diesen Gottesdienst und unser Zusammensein. Doch eigentlich gibt es da ein Datum in ihrer Lebensgeschichte, das bei den meisten noch weitere 13 oder 14 Jahre zurückliegen dürfte: Ich meine die Taufe, die ein jeder von uns empfangen hat.
Mit ihr begann ein Weg, der über das Fest der Konfirmation zu einem Lebensweg und eben auch einem Weg des Glaubens über Höhen und Tiefen bis hierher wurde.

Konfirmation, das meint ja in seinem Wortsinn „Befestigung, Bekräftigung” im Glauben, einer Bekräftigung, die der Taufe folgt. Im Konfirmationsunterricht holen wir den Taufunterricht nach, den die ersten Christen, als noch die Erwachsenentaufe üblich war, vor ihrer Taufe nahmen. Mit der Konfirmation werden wir also noch einmal ausdrücklich an unsere Taufe erinnert, können wir uns an ihr festmachen.

Erinnern möchte ich darum auch heute an die Taufe, die unsere lebenslange Beziehung zu Gott begründet hat. Von Martin Luther wird erzählt, er habe sich in einem Moment tiefer Anfechtung und Verzweiflung direkt auf sein Pult geschrieben: „Ich bin getauft!” An der eigenen Taufe kann man sich festmachen, wie an einem Rettungsanker. Wer sich an etwas festmachen kann, wer innerlich gefestigt ist, der hat dann auch die Kraft und die Energie, sich auf den Weg zu machen und den eigenen Lebensweg unter die Füße zu nehmen.

So wird es uns in der Apostelgeschichte auch von dem Kämmerer aus Äthiopien erzählt, der sich von Philippus taufen ließ und so heißt es: er zog aber seine Straße fröhlich. Fröhlich, wohl auch getrost und zuversichtlich seiner Wege gehen, das mag der können, der sich angenommen weiß. In der Taufe nimmt uns Gott an. Ein für allemal.

An die eigene Taufe werden fast alle von uns keine Erinnerung haben, denn seit langem ist die Säuglingstaufe bei uns die Regel. Wohl aber an ihre Konfirmation vor 50 oder 60 Jahren werden Sie sich noch erinnern. Sie standen damals mit den Mitkonfirmanden hier in der Neanderkirche oder auch in einer anderen Gemeinde, wo Sie damals mit ihrer Familie zuhause waren, vor dem Altar und empfingen den Segen Gottes. Damals, vor 50 und vor 60 Jahren sah es hier sicher noch etwas anders aus. Inzwischen hat es Renovierungen und kleinere Veränderungen im Innenraum unserer Kirche gegeben. Andere Menschen als heute spielten damals die Orgel, waren Küster und Presbyter. Es war so vieles anders hier und in der Welt.

Vor 50 Jahren war das berühmt, berüchtigte Jahr 68, das einer Generation ihren Namen gab. Ein Jahr der Auf- und Umbrüche. Sicher hat man das damals als 13- oder 14 Jähriger gar nicht so mitbekommen, wie ein Erwachsener. Es war viel los: Der Vietnamkrieg tobt. Beim Massaker von My Lai töten US Soldaten 500 Dorfbewohner. Studenten gehen in Paris auf die Barrikaden und auch in Deutschland werden Vorlesungen gestört und man prangert an, dass unter den Talaren der Professoren der Muff von 1000 Jahren sitzt.
Andreas Baader und Gudrun Ensslin begehen einen Brandanschlag auf ein Frankfurter Kaufhaus, die Geburtsstunde des RAF Terrorismus.

Der Studentenführer Rudi Dutschke erliegt nach einem Attentat seinen Verletzungen.Der Contergan-Prozess beginnt und Heintje trällert sich auf Platz 1 der Hitliste. In den USA wird der Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy erschossen. Kurz vor ihm erlag der Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King einem Attentat. Die Truppen des Warschauer Paktes schlagen den „Prager Frühling nieder.

Wie sah es 10 Jahre früher aus?
Nachdem die Sowjets 1957 ihren Sputnik in die Erdumlaufbahn geschossen hatten gründeten die USA 1958 die NASA. Der Wettlauf im All begann. Mitte der 50er Jahre war man angekommen im Wirtschaftswunderland. Im Vergleich zu heute aber lief alles viel bescheidener ab. In Hochdahl konnten Kinder noch auf der Straße spielen, das Leben war ruhiger und nicht so verplant wie heute. Man versuchte, die schlechte Zeit des Krieges zu vergessen und machte sich an den Aufbau.

Diejenigen, die noch früher Konfirmation feierten, erlebten damals oft weit schwierigere Zeiten. Der Krieg hatte die ganze Welt durcheinandergebracht. Unzählige Menschen hatten ihr Leben verloren. In den meisten Familien gab es jemanden, der tot oder vermisst war. Viele hatten ihre Heimat verloren. Zu den tristen Zeiten waren nicht unbedingt die Kirchen, jedoch die Kinos immer voll: Durchhalteparolen waren angesagt und so sang Heinz Rühmann: „das kann doch einen Seemann nicht erschüttern.” Aber die Welt und mit ihr die Menschen waren erschüttert und es gab kaum einen, der so einfach fröhlich seiner Straße ziehen konnte.

„… er zog aber seine Straße fröhlich.” – Jener Kämmerer aus Äthiopien, der zunächst so nachdenklich in die Heiligen Schriften vertieft war und sich von Philippus taufen ließ. Im Glauben unterwiesen stand er nun auf eigenen Füßen, mußte seinen Lebensweg und auch seinen Glaubensweg selbst gestalten. So mußten auch Sie alle einmal lernen nach Taufe und Unterweisung für sich selbst zu sprechen und für sich selbst zu glauben. Jede und jeder hat da seine eigenen Erfahrungen gesammelt, seine Träume gesponnen, Versuche unternommen, wurde von der Wirklichkeit manchmal angenehm überrascht oder auch eingeholt. Es galt, im Berufsleben, die Frau oder den Mann zu stehen und es zu etwas zu bringen. Es standen Entscheidungen für’s Leben an: Heirat, Familie gründen.

Wem es beschieden war, der sah Kinder und vielleicht später auch Enkelkinder heranwachsen. Er wird hoffentlich Gott sei Dank sagen können. Gott sei Dank auch, wenn wir lieben können und ein Mensch uns treu auf unserem Lebensweg begleitet hat. Die Dankbarkeit zu Gott und den Menschen, die uns und unser Leben mitgeprägt haben, diese Dankbarkeit beflügelt uns, schenkt uns ungeahnte Kraft, befähigt uns zu immer neuer Liebe. Aus der Dankbarkeit wird die Zukunft geboren.

„…er aber zog seine Straße fröhlich.” Wenn Sie zurückblicken auf die vergangenen 50 oder 60 oder mehr Jahre, dann sehen sie zurück auf die Straße des Lebens, mit machen Biegungen, Gabelungen, an denen Entscheidungen anstanden, Höhepunkte, Wendepunkte des Lebens. Wie oft waren sie glücklich und zufrieden mit sich und der Welt – Gott sei’s gedankt. Es gab wohl auch schwere Stunden, wo sie unglücklich und unzufrieden waren mit sich und der Welt – Gott sei’s geklagt. Beides findet sich im Leben. Und nichts davon fällt aus der Hand unseres Gottes.

Alles ist seinem Segen unterstellt. Der bisher mit uns gewesen ist, uns geholfen und beschenkt hat, der wird auch weiter mit uns sein. Er wird es recht machen. Nicht immer so, wie wir es wollen und wann wir es möchten. Aber so, wie es gut für uns und andere ist. Wenn wir unserer Straße ziehen, dann ist von entscheidender Bedeutung, wie der Grund ausschaut, auf dem wir stehen und gehen. Der sichere Grund ist uns gelegt in der Taufe. Da haben wir die sichere Zusage Gottes zu uns, sein unverbrüchliches Ja zu einem jeden von uns. Dann kam die Konfirmation und wir konnten unser „Ja” zu Gott sagen. Mal kräftig, mal etwas zögernd oder unbeholfen.

Im Lauf unserer Wegstrecke mag sich das Ja bewährt haben oder es wurde auch abgeschwächt und vielleicht auch vergessen. Gott aber bleibt bei seinem Ja alle Tage und an allen Orten unseres Lebens. Mögen wir auch die Erfahrung gemacht haben, daß wir im Leben einmal eine Chance verpaßt haben, so gilt das für Gott nicht. Die Türen zu Gott stehen immer offen.

Damit wir leben können, unsere Straße fröhlich ziehen können, getrost sind im Leben und im Sterben, damit wir unseren Platz finden und in guten wie in bösen Tagen nie allein sind, damit wir ein erfülltes Leben finden: dafür hat uns Gott seinen Sohn gesandt. Jesus Christus geht mit uns auf all unseren Wegen.
Durch sein Wort und von Menschen seines guten Willens werden wir begleitet. Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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