„Du bist okay, wie du bist!“

Der Humorist und Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen über die Bedeutung der Reformation

Der Humorist und Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen über die Bedeutung der Reformation
Die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation – und der Humorist und Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen feiert mit. Weil er Martin Luther für einen coolen Typen hält, der Mut, Humor und starke Botschaften hatte: Jeder Mensch ist wertvoll, unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit. Jeder Mensch ist frei, Ideologien zu hinterfragen.

Weil Martin Luther uns noch immer viel zu sagen hat: Rede verständlich, trau‘ dich, deine Meinung zu sagen, und stelle Dinge in Frage –  diese Freiheit brauchen wir heute genauso wie damals! Außerdem war er ein cooler Typ und hatte Humor. Das Reformationsjubiläum bietet die Chance, Luther und den Geist der Freiheit neu zu entdecken, gegen Ideologien aufzubegehren und die Kraft von Gemeinschaft zu spüren.

Er hat damals gesehen, dass mit einer Botschaft, die ihm wichtig war, Schindluder getrieben wurde. Die Kirche seiner Zeit hatte die Menschen angehalten, sich die Vergebung Gottes auf abergläubische Weise zu erkaufen. Da sagte Luther: „Davon steht aber nichts in der Bibel!“ Das brauchte damals großen Mut. Den schätze ich an ihm. Außerdem sagte er: „Über die Dinge, die Menschen angehen, sollte man auch in der Sprache reden, die sie verstehen.“ Er hat das Neue Testament deshalb ins Deutsche übersetzt. Die religiöse Oberschicht hat dagegen auf Latein gepredigt, was sonst niemand verstanden hat. Die Menschen durften „Ja und Amen“ sagen, mehr nicht.

Wir bräuchten sie heute im Gesundheitswesen, im Umgang mit kranken, alten und behinderten Menschen. Ich habe Medizin an der „Charité“ gelernt. Darin steckt nicht Shareholder, sondern „Caritas“ – Nächstenliebe. Die Grundlage des Krankenhauses, des „Hospitals“, war nicht Kommerz, sondern Gastfreundschaft. Kranke bringen nach ökonomischen Kriterien keinen Mehrwert, verursachen vielmehr Kosten, weil man sich um sie kümmern muss. Dagegen steht der grundchristliche Gedanke, dass jeder Mensch einen Wert hat, der nicht von seiner Leistungsfähigkeit abhängt. Den hat Luther betont und der ist auch mir ganz wichtig. Hinzu kommt: Jeder Patient ist ein leidender Menschen – und die erste Frage sollte immer noch sein: Wie kann ich ihm helfen? Und nicht: Wie mache ich mit seinem Leid möglichst viel Rendite? Bei vielen Dingen, die heute im Gesundheitswesen passieren, würde Luther auf die Barrikaden gehen.

Eine breite Debatte darüber, nach welchen Werten wir künftig leben wollen. Da hat das Christentum in Europa wertvolle Vorarbeit geleistet. Ich finde: Die große Kraft unserer Kultur steckt in denen, die wir gering schätzen. „Was ihr einem von denen getan habt, das habt ihr mir getan“ – sagt Jesus. Und ich wünsche mir auch, dass Menschen die Kraft von Gemeinschaft wiederentdecken. Es gibt dieses tolle Bibelwort: „Wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Deshalb funktionieren Gruppentherapien, deshalb gehen Menschen in die Kirche. Und deshalb mache ich so gern Live-Kabarett – meine Form der „Predigt“. Samstagabend statt Sonntagvormittag. Aber über das Wort die Menschen zu erreichen, daran hat Luther ja auch geglaubt.

Eindeutig. Er hat vorgelebt, sich mit den Verhältnissen und der herrschenden Meinung nicht zu arrangieren. Das ist Zeichen einer großen inneren Freiheit. Luther hat sie „Freiheit eines Christenmenschen“ genannt. Diese Freiheit schreibt er uns 500 Jahre später immer noch ins Gebetbuch. Sie macht immun gegen Ideologien wie den Perfektionismus. Der fordert: „Du musst gesund sein, du musst toll aussehen, du musst der Beste sein und darfst nicht alt werden.“ Diese Ideologie muss man hinterfragen, dabei hilft Luther.

Den ersten Spruch. Ich denke dabei an meine Stiftung „Humor hilft heilen“. Wir engagieren Clowns oder schulen Pflegekräfte so, dass sie Kinder im Krankenhaus für einen Moment in eine andere Welt entführen. Das bedeutet auch, Gott auf frischer Tat zu ertappen. Denn das, was da entsteht, hat eine spirituelle Qualität: Die Angst verschwindet durchs Lachen, Vertrauen und Hoffnung wachsen. Das versteht man vielleicht eher, wenn man sich an die Tradition im Christentum erinnert, zu Ostern über die Friedhöfe zu gehen und zu lachen – das „Osterlachen“. Warum? Weil wir dem Tod ins Gesicht lachen. Weil wir in jeder Situation die Wahl haben, uns zu ihr zu verhalten. Auch dafür steht diese authentische Kraft von Luther, der sagt: „Nichts kann mich trennen von einer Liebe Gottes.“

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