Nach 35 Jahren als Pfarrer in Hochdahl blicke ich zurück, sogar noch etwas weiter, denn nur drei Jahre zuvor war der Berufsanfang.
1982 kam ich als Vikar an den evangelischen Dom von Düsseldorf. Aber in der Johanneskirche selbst durfte ein Vikar am Sonntagmorgen nicht predigen, das blieb den altehrwürdigen Pfarrern vorbehalten. So wurde zu meiner Freude die spätbarocke Neanderkirche in der Altstadt »meine« Predigtkirche. Die phantasievollen Orgelvorspiele von Oskar Gottlieb Blarr haben mich fasziniert. Und der sonntagmorgendliche Kirchgang durch den Hofgarten bis in die Altstadt war ein Vergnügen.
Zwei Jahre später habe ich ein Kontrastprogramm zu der sich etwas elitär gebenden Innenstadtgemeinde erfahren. Als ich zum ersten Mal nach Duisburg-Rheinhausen fuhr und die Rheinbrücke passiert hatte, las ich auf dem Ortseingangsschild das Graffiti »Stadt ohne Zukunft« – Willkommen in der neuen Gemeinde, oder ein Omen für die kurze Verweildauer dort? In Rheinhausen ging es jedenfalls bodenständiger zu. Noch arbeiteten viele Menschen im Kruppschen Stahlwerk oder im Bergwerk Niederberg. Auch hier gab es eine sehenswerte gotische Kirche, die wie eine Glucke hinter dem Deich hockte. Ziemlich spontan haben meine Frau und ich eine Jugendfreizeit in die Camargue, Südfrankreich organisiert. Mit dem Bus in den Süden und dann gezeltet. Wir waren eben noch jünger… Was blieb war eine gute Freundschaft zum exzellenten Kirchenmusiker, die bis heute hält.
Nach rund einem Jahr wurde ich auf die freie Pfarrstelle in Hochdahl aufmerksam. Auf meine erste Bewerbung im Berufsleben wurde ich hier zum Pfarrer gewählt.
Wir arbeiteten damals in einem großen Team: drei Pfarrer und eine Pfarrerin, dazu Diakone und auch Vikare, die kamen und gingen. Jeder brachte seine Stärken in einem teilfunktionalen System ein. Ich engagierte mich in der Erwachsenenarbeit und der Friedensarbeit und machte in den ersten Jahren auch in der Jugendarbeit mit: Jugendbibelstunde und Freizeiten gehörten dazu. Das Pfarrteam wandelte sich und wurde nach und nach kleiner. Rückblickend danke ich für eine gute Kollegialität.
Im CVJM wurden wir als junge Familie mit unseren Kindern Jens, Sophia und Constantin herzlich aufgenommen und sind gemeinsam älter geworden.
Unsere Kinder waren auch Mitinitiatoren des Väter-Kinder-Morgen, der seit 20 Jahren sich großer Beliebtheit erfreut. Echte Familienprojekte waren für uns die Theaterstücke, die meine Frau Dorothea geschrieben hat und die wir mit vielen neu entdeckten Hochdahler Schauspielertalenten im Gemeindehaus Sandheide aufgeführt haben.
Bei aller Vielfalt in der pastoralen Arbeit lag mir die Gestaltung von Gottesdiensten immer besonders am Herzen. Liturgie, Predigt und Musik wie auch ein gut gestalteter Raum waren mir wichtig. Viel Herzblut floss auch in die Gottesdienste in anderer Gestalt. Im Team habe ich Gottesdienste entworfen, die mich sehr bewegten und eine treue Gemeinde gefunden haben.
Ein Besonderes an Hochdahl war die gute Ökumene mit der Schwestergemeinde St. Franziskus von Assisi. Der Grund der Ökumene war schon eine Generation vor uns gelegt worden und der Geist vom 2. Vatikanischen Konzil blieb in Hochdahl sehr lebendig. Zu Beginn meines Hierseins habe ich an der Grundsteinlegung des Haus der Kirchen mitgewirkt. Unter den katholischen Pfarrern habe ich in Gerd Verhoeven und Christoph Biskupek nicht nur verlässliche und mutige Kollegen, sondern auch wahre Freunde gefunden. In vielen Aktivitäten beider Gemeinden haben wir uns ökumenisch aufgestellt und so fühle ich mich mit vielen katholischen Gemeindemitgliedern so wie mit den evangelischen seit langem verbunden.
Die vielen Jahre haben es mit sich gebracht, dass ich mit Trauungen, Taufen, Konfirmationen und Beerdigungen etliche Familien über die Generationen hinweg begleiten durfte. Gerade darauf schaue ich mit Dankbarkeit zurück.
Wo ich Menschen in meinem Tun nicht gerecht worden bin, hoffe ich auf Nachsicht und Vergebung.
Nun kommt ein Lebensabschnitt zum Abschluss und es schließt sich zugleich ein Kreis: Zusammen mit meiner Frau werde ich in Düsseldorf in meiner ersten Gemeinde wohnen und kann dann einfach mal unter der Kanzel der alten Neanderkirche in der Altstadt sitzen. Wir freuen uns auf alles Neue!
Den Hochdahlern wünsche ich alles Gute. Behüte Euch Gott!
Ihr Lutz Martini