Notfallseelsorge

Da sein. Nah sein.

Bei einem schweren Busunfall auf der A3 wurden die Kinder in den Gang geworfen, zum Teil schwer verletzt. „Plötzlich hörte ich nur noch Kindergeschrei“, erinnert sich eine Mutter. „Das dauerte etwa zwei Minuten lang.“ Erst Minuten später hörte die Mutter die Stimme ihrer Tochter wieder: „Mama, ich glaube, wir hatten einen schweren Verkehrsunfall!“ Nach dem Unfall kümmerten sich Rettungsdienste um die medizinische Versorgung der Unfallopfer. Die Notfallseelsorger waren schnell am Unfallort und kümmerten sich um die betroffenen Kinder – und auch um deren Eltern.

Ein Beispiel unter vielen, bei denen die Notfallseelsorge hilft. Jeder Unfall und jeder Notfall hinterlässt Spuren – auch auf der Seele. Die Notfallseelsorger sind in der Situation des Schreckens ganz für die Menschen da. Sie nehmen sich Zeit, wenn die Kräfte des Rettungsdienstes den Einsatzort verlassen müssen, um für weitere Notfälle bereitzustehen. Für betroffene Menschen in Unglücksfällen, bei Verkehrsunfällen, Straftaten, Haus- und Wohnungsbränden und vielen anderen kleinen und großen Katastrophen stehen in den zehn Städten des Kreises Mettmann Tag und Nacht – an 365 Tagen im Jahr – sechs Seelsorger/innen neben Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst zur Verfügung.

In besonderen Krisensituationen wie zum Beispiel schweren Unfällen und plötzlichen Todesfällen wird Menschen Beistand angeboten. Hierfür steht in Erkrath rund um die Uhr ein/e Pfarrer/in zur Verfügung. Dieser Dienst wird ökumenisch angeboten. Der Notfallseelsorger im Kirchenkreis Düsseldorf – Mettmann ist auch für die seelsorgerische Begleitung der Rettungsdienste und der Feuerwehren zuständig.

Der jeweils zuständige Pfarrer ist über die Leitstelle der Rettungsdienste zu erreichen.

Stiftung Notfallseelsorge
Die Stiftung Notfallseelsorge im Kreis Mettmann ist Träger dieser wichtigen Aktivitäten. Sie können unsere Stiftung durch die Zuweisung von Spenden und Zustiftungen unterstützen. Ihre Hilfe kommt direkt an und wir können so unsere wichtige Arbeit fortsetzen.

Ansprechpartner:
Ev. Koordinator Pfarrer Frank Schulte
Mobil: 0176 977 89 463
E-Mail: notfallseelsorge.mettmann[at]ekir.de

Wann kommt die Notfallseelsorge zum Einsatz - Beispiele

Notfallseelsorge – Dienst der Kirchengemeinden an den Menschen in der Stadt

Pfarrer Jürgen Draht
Pfarrer Jürgen Draht

Einsatzstichwort: „Wohnungsbrand, eine Person vermisst.“
Innerhalb von wenigen Minuten ist die Feuerwehr zur Stelle. Schläuche werden ausgerollt, der Löschangriff hat das Feuer schnell unter Kontrolle, größerer Sach- und Personenschaden konnte verhindert werden. Die Suche nach der vermissten Person ist schwierig. Als ein Feuerwehrmann den verkohlten Leichnam schließlich unter Schutt und Asche findet, wird ihm bei dem Anblick übel.

Ein gewöhnlicher Einsatz – und doch nicht alltäglich. Ein Einsatz, der öfter vorkommt – und doch keine Routine. Ein „erfolgreicher Einsatz“, aber für einen Feuerwehrmann ein sehr belastender Einsatz. Solche unmittelbare Konfrontation mit dem Tod kann ein ganzes Leben verändern. Da brechen Ängste und Fragen auf. Das Lebens- und Weltbild gerät in Zweifel. Die Feuerwehren haben schon vor längerer Zeit bei den beiden großen Kirchen seelsorgerliche Hilfe für ihre Kameradinnen und Kameraden angefragt. Seit rund 13 Jahren gibt es im Kreis Mettmann  kirchliche Arbeit in Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Pfarrer Jürgen Draht hat diese Arbeit zuerst in Ratingen begonnen und schließlich auch in den Nachbarstädten aufgebaut. „Ich betreue und begleite Feuerwehrmänner und -frauen nach belastenden
Einsätzen. Oft ist es mit einem Gespräch nicht getan. Solche Erfahrungen wirken sich aufs ganze Familienleben aus. Da ist Zuwendung,  Verständnis, Geduld und Kreativität gefragt, damit einer Angst und Trauer verarbeitet und wieder Vertrauen ins Leben setzt.“

Einsatzstichwort: „Internistischer Notfall“.
Nur 8 Minuten hat die Blaulichtfahrt von Notarzt und Rettungsdienst gedauert. Trotzdem kommt jede Hilfe zu spät. Der Notarzt kann nichts mehr tun, nur noch den „Totenschein“ ausstellen, die Einsatzstelle verlassen und sich auf den nächsten Einsatz vorbereiten. Plötzlich und völlig unerwartet ist ein Mensch gestorben, wurde einfach aus dem Leben gerissen. Für die Angehörigen ein schmerzhafter Verlust; eine Lücke, die sich nie mehr schließen wird. In solchen Situationen verlieren Menschen den Boden unter den Füßen. „Was soll ich jetzt tun?“ fragt die Frau, deren Mann gerade verstorben ist. „Es wäre bestimmt gut wenn wir Ihnen jetzt einen Seelsorger rufen, der kann Ihnen weiterhelfen“, antwortet der Rettungsassistent.

Einsatzstichwort: „Suizid“
„Tablettenintoxikation“ lautet die Diagnose des Notarztes. Mit Tabletten und Alkohol hat das sechzehnjährige Mädchen versucht ihrem Leben ein Ende zu setzen. In der Bundesrepublik nehmen sich etwa 10.000 Menschen jedes Jahr das Leben. 10 bis 20 mal höher ist die Zahl der Suizidversuche. Tiefe Gefühle der Angst, Enttäuschung, Resignation, Hoffnungslosigkeit in einer als unerträglich empfundene Lebenssituation lassen den Tod als einzigen Ausweg erscheinen. Meist sind Angehörige völlig überrascht und ratlos, wenn ein Familienmitglied versucht hat sein Leben zu beenden. Sie verstehen es einfach nicht: „Es gab doch gar keinen Grund, dass er/sie das getan hat“. Möglicherweise tragen Scham- und Schuldgefühle dazu bei, zu schweigen und das Gespräch mit Außenstehenden zu meiden. „Es ist ja nochmal gutgegangen“. Oft gehen einem vollzogenen Suizid mehrere Ankündigungen oder Versuche voraus. „Seit Jahren werbe ich als Notfallseelsorger dafür, uns nicht erst bei einer vollzogenen Selbsttötung zu rufen, sondern bereits im Vorfeld den sogenannten „Hilferuf“ ernst zu nehmen und das Gespräch mit Seelsorge, Lebensberatung oder Therapeuten zu fördern.“

Was bedeutet es für einen Pfarrer, das Notfallhandy zu haben?

Montagvormittag – Übergabe des Notfallhandys. Ich bekomme das Handy vom diensthabenden Seelsorger der letzten Woche überbracht. Wir tauschen uns kurz aus, was es denn an Einsätzen gab. Es kann sein, dass es ruhig geblieben ist. Seit das Einsatzgebiet in unserer Region sich auf Erkrath, Haan und Hilden bezieht, ist das allerdings ganz selten geworden. Dann beginnt, kurz und knapp gesagt, mein Bereitschaftsdienst. Das heißt – alles läuft wie sonst, es sei denn das Notfallhandy klingelt. Dann muss alles möglichst schnell gehen, und was abgekürzt, verschoben oder ausfallen kann, hört auf oder findet eben später oder gar nicht statt.

Ich komme im Netzwerk der Notfallseelsorge direkt mit Menschen in existenziellen Lebenssituationen in Berührung. Es sind Situationen, die auch nach dem Einsatz zum Teil lange noch im Gedächtnis bleiben.
– Ein Mann ist zu Hause vergeblich reanimiert worden, seine Frau kann einen Beistand gebrauchen, nachdem alles „erledigt“ ist.
– Ein junger Mann fährt mit seinem Auto eine alte Frau an, die im Nachthemd auf die Straße gelaufen ist. Auf der Polizeiwache geht es im Gespräch über alle religiösen Grenzen hinweg um die Fragen, die sein Gewissen plagen.
– Ein Mädchen hat versucht, sich in ihrem Zimmer das Leben zu nehmen. Eltern und Familien bangen, was passiert? Schafft sie es oder nicht?
– Ein alter Mann ist gestorben, seine Angehörigen möchten auch in der Nacht gerne einen Seelsorger dabei haben, der ihnen bei der Verabschiedung am Bett des Verstorbenen zur Seite steht.

Vier von vielen Situationen – oft sind es wirklich Einsätze in der Nacht. Manchmal kommt tatsächlich die Bibel vor. Meistens jedoch heißt mein Versuch, Erste Hilfe für die Seele zu leisten, aber vor allem: Da sein. Zuhören. Etwas Zeit haben. Ich halte mit aus, was kaum auszuhalten ist. Ich warte, bis Verwandte oder Freunde eintreffen. Ich begleite, bis es „etwas“ besser geht. Ich habe durch meine Einsätze in der Notfallseelsorge die Arbeit der anderen sehr schätzen gelernt, die lange vor mir im Einsatz waren: Rettungskräfte, Ärzte, Feuerwehrleute, Polizisten. Oft bin ich beeindruckt, wie gut organisiert Menschen in Not bei uns geholfen wird – so weit das eben geht. An der Grenze des Todes sind alle machtlos – und müssen doch mit Respekt damit umgehen. Die Einsatznachbesprechung mit Guido Vogt, dem Leiter der Feuer- und Rettungswache der Stadt Erkrath, unserem Notfallseelsorger Jürgen Draht aus dem Kirchenkreis und seinem katholischen Kollegen Christoph Dörpinghaus und anderen Seelsorgern aus unserer Region hilft, zweimal im Jahr offene Fragen zu klären und Erfahrungen auszutauschen.

Wenn ich am nächsten Montag das Handy an einen Kollegen weitergebe, atme ich schon ein bisschen auf. Da geht etwas die Anspannung weg, die sich im Laufe der Jahre zwar gelegt hat, aber dennoch im Hintergrund da ist. Ich bin durch das Notfallhandy aber auch wieder daran erinnert worden, dass Vieles gar nicht so wichtig ist im Leben, wie es manchmal aussieht, vielmehr die wirklich wichtigen Dinge im Leben zählen. Es ist gut, dabei ein Stück mittragen zu können, eben Erste Hilfe für die Seele zu leisten.
Pfarrer Andreas Müller

Notfallseelsorge praktisch - Guido Vogt von der Feuerwehr Erkrath berichtet

Guido Vogt von der Feuerwehr Erkrath hat oft mit Notfällen zu tun und wurde daher von der Redaktion gebeten auf zwei Fragen aus dem Bereich Notfallseelsorge zu antworten:

Wie funktioniert Notfallseelsorge in Ihrem Bereich?
Die Besatzungen der Rettungswagen oder aber die Feuerwehreinsatzkräfte können einen Notfallseelsorger direkt über die Kreisleitstelle bestellen. Im Einsatzleitrechner sind die entsprechenden Rufnummern der Notfallhandys der einzelnen Notfallseelsorgerkreise hinterlegt. Im Fall der Feuerwehr Erkrath wird dann der diensthabende Notfallseelsorger des Notfallseelsorgerkreises Erkrath-Haan-Hilden alarmiert. In der Regel rufen die Einsatzkräfte einen Notfallseelsorger, wenn Sie dass Gefühl haben, dass die Betroffenen oder aber bei Todesfällen, die Hinterbliebenen betreut werden müssen. Dieses geschieht aber nur nach Rücksprache mit den betroffenen Menschen, ihnen wird ein Notfallseelsorger „angeboten“. Je nach Situation, z.B. alleinstehende Personen, wird das Eintreffen des Notfallseelsorgers abgewartet (meist so um die 30 Minuten) und eine kurze „Einweisung in die Lage“ zu geben! Bei Suizidversuchen (z.B. Person droht zu springen oder ähnliche Lagen) wird ebenfalls ein Notfallseelsorger über die Leitstelle angefordert. In der Regel werden solche Einsätze durch Herrn Draht oder Herrn Dörpinghaus durchgeführt. Bei belastenden Einsätzen für die Einsatzkräfte (Kindstot, mehrere Tote bei einem Einsatz oder aber schwer verstümmelten Menschen) kann ein Notfallseelsorger auch für die Einsatzkräfte zur Nachbereitung und Aufarbeitung der Erlebnisse angefordert werden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Notfallseelsorge gemacht?
Die Notfallseelsorge gibt den Einsatzkräften das Gefühl einen Einsatz „abgeschlossen“ zu haben. Beim Verlassen der Einsatzstelle ist dann jemand da, der sich weiter um die betroffenen Menschen kümmert. Dieses ist ein sicheres Gefühl, dass auch das Nachdenken über den Einsatz und seine Folgen minimiert. Das Nachbesprechen von belastenden Einsätzen hat sich mittlerweile etabliert und ist für die Aufarbeitung des Erlebten mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Die Erkrather Einsatzkräfte haben durch die Notfallseelsorge und die Arbeit durch Herrn Draht und Herrn Dörpinghaus in diesem Bereich eine hervorragende Unterstützung, die diese auch nicht mehr missen möchten.

Wozu Notfallseelsorge?

Notfallseelsorger Pfarrer Jürgen Draht
Notfallseelsorger Pfarrer Jürgen Draht

Kann man Menschen trösten, die untröstlich sind?
Notfallseelsorge will Menschen in Notsituationen zur Seite stehen, ihnen Halt geben. Sie sollen spüren, dass sie nicht allein gelassen werden. Notfallseelsorge will in den dunklen Stunden des Lebens ein Licht sein. In guter ökumenischer Zusammenarbeit und in engem Kontakt zu Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst unterstützen und begleiten die Pfarrkolleginnen und -kollegen die Menschen in den Städten unseres Kreises, die plötzlich mit dem Verlust eines nahe stehenden Angehörigen konfrontiert werden. Sie erleben, dass Kirche in den dunkelsten Stunden des Lebens ganz nahe ist.

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